Eine sonderbare Regelung im neuen Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, das diverse schulrechtliche Vorschriften in einem Gesetz vereint und am 01. August 2005 in Kraft treten wird, sorgt derzeit für viel Unruhe bei Eltern und Lehrern. Es geht um die pikante Frage, ob auch bedürftige Eltern an den Kosten der Lernmittel für ihre Kinder (z. B. Schulbücher) beteiligt werden dürfen. In § 96 Abs. 3 des neuen Schulgesetzes heißt es:
(3) Der Eigenanteil bestimmt den Anteil, bis zu dem die Eltern verpflichtet sind, Lernmittel nach Entscheidung der Schule auf eigene Kosten zu beschaffen. Der Eigenanteil darf ein Drittel des Durchschnittsbetrages nicht überschreiten. Der Eigenanteil entfällt für Empfängerinnen und Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz/ SGB XII.
Auf den ersten Blick scheint der Landesgesetzgeber an die Bedürftigen gedacht zu haben. Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch Verwunderung ein. Es fragt sich nämlich, warum der Eigenanteil für Sozialhilfeempfänger, nicht aber für Empfänger des sogenannten Arbeitslosengeldes II entfällt. Letztere stehen – jedenfalls in der Regel – finanziell nicht unbedingt besser da als die Sozialhilfeempfänger. Hat der Landesgesetzgeber die ALG-II-Bezieher etwa vergessen?
Den Lernmittelkosten-Eigenanteil der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt tragen die Kommunen, denn sie sind die Träger der Sozialhilfe. ALG-II-Empfänger beziehen ihre Leistungen dagegen von der Bundesagentur für Arbeit. Letztere wäre also auch Zahlstelle, wenn es um den Lernmittelkosten-Eigenanteil der ALG-II-Empfänger geht. Und genau das ist das Problem. Denn durch ein Landesgesetz kann nicht eine Bundesbehörde verpflichtet werden (Stichwort: Föderalismus), bestimmte Kosten zu übernehmen.
Allerdings ist dies nur ein schwaches Argument für diese missglückte Vorschrift. Denn nichts hätte den Landesgesetzgeber gehindert zu regeln, dass der Lernmittelkosten-Eigenanteil von ALG-II-Empfängern ebenfalls von den Kommunen finanziert wird.
In Bottrop wird darüber nachgedacht, genau so zu verfahren. Der Haupt- und Finanzausschuss befasst sich derzeit mit der Thematik. Das Problem ist allerdings, dass sich die Stadt Bottrop auf einem strengen Konsolidierungskurs befindet und der Haushalt derartige freiwillige Leistungen nicht hergibt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Ungleichbehandlung jedenfalls nicht kurzfristig aus der Welt geschafft werden kann.