Wie die FAZ am 21. Januar 2005 berichtete, ist das von der rot-grünen Bundesregierung geplante Antidiskriminierungsgesetz heftig umstritten. Aus Anlass der ersten Lesung im Bundestag am 18. Januar 2005 kritisierten die Oppositionsparteien das Gesetzgebungsvorhaben, weil es über das Ziel hinaus schieße.
In der Tat enthält der derzeitige Gesetzesentwurf Regelungen, die über das hinaus gehen, was die EU-Richtlinie, deren Umsetzung das Gesetz dienen soll, von den Mitgliedstaaten verlangt. Europarechtlich sind die Mitgliedstaaten der EU lediglich dazu verpflichtet, das Verbot von Diskriminierungen wegen der Herkunft oder des Geschlechts in das allgemeine Zivilrecht einzuführen; allein im Arbeitsrecht sollen weitergehende Diskriminierungsverbote (Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität) gelten. Nach den Plänen der Regierungskoalition sollen die Diskriminierungsverbote jedoch ebenso umfassend wie im Arbeitsrecht auch in den übrigen zivilrechtlichen Bereichen Geltung haben.
Ob die Regierungsparteien deshalb als übereifrig zu bezeichnen sind und das geplante Gesetz als Angriff auf die Vertragsfreiheit zu werten ist, sei einmal dahingestellt. In einem haben die Oppositionsparteien natürlich Recht: Selbstverständlich wird durch ein Antidiskriminierungsgesetz die Vertragsfreiheit weiter eingeschränkt werden. Alles andere wäre unlogisch. Es ist ja gerade Sinn und Zwek eines Antidiskriminierungsgesetzes, die Freiheit des einzelnen insofern einzuschränken, als er nicht mehr jedes Motiv (wie z. B. die Hautfarbe) zur Grundlage seines Verhaltens machen können soll. Das Antidiskriminierungsgesetz deshalb zu verurteilen, weil es die Vertragsfreiheit einschränkt, ist also als ob man den Erlass eines Strafgesetzes mit dem pauschalen Argument ablehnte, dadurch würden doch nur weitere Verbote geschaffen.
Entscheidend kann nur sein, ob man es wünscht, dass der Staat der Diskriminierung Einhalt gebietet, indem er hoheitlich per Gesetz regelnd eingreift. Das ist zweifelsohne nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Frage; juristisch, soweit es um die Umsetzung der EU-Richtlinie geht; politisch, soweit es um eine über die Vorgaben der EU hinausgehende (freiwillige) Normierung von Verboten geht. Nur letzteres steht überhaupt zur Disposition des Bundes. Die politische Diskussion über das Für und Wider eines Antidiskriminierungsgesetzes kann sich also zwangsläufig nur auf den Teil des Gesetzes beziehen, der europarechtlich nicht vorgegeben ist.
Sollte der Bund mehr Diskriminierungsverbote aufstellen als die EU fordert? – Dies ist die einzig zulässige Fragestellung, will man die Diskussion nicht von vornherein unsachlich führen. Zweifellos kann man hierzu unterschiedlicher Auffassung sein. Für weitreichende Diskriminierungsverbote spricht beispielsweise das dahinter stehende Ziel eines harmonischeren Miteinanders innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft. Der Schutz von Minderheiten ist ein weiteres Argument, das eine weitgehende Einschränkung der in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes normierten Allgemeinen Handlungsfreiheit verhältnismäßig erscheinen lassen könnte. Außerdem könnte mit einem solchen Gesetz zu einer schnellen Integration von Schutzbedürftigen in unserer Gesellschaft beigetragen werden.
Auch wenn ich persönlich ein Antidiskriminierungsgesetz aus den vorgenannten Gründen für erforderlich halte: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht in seinem Regelungsgehalt nicht nur zu weit, sondern er beinhaltet auch zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Verabschiedung dieses Gesetzes hätte voraussichtlich katastrophale Folgen für die ohnehin schon überlastete Justiz. Es käme nicht nur eine große Welle von Schadensersatzklagen auf die Instanzgerichte zu, sondern auch ein Berg an Auslegungsproblemen.
Man darf gespannt sein, ob diese Gefahr von den handelnden Personen noch früh genug erkannt wird.